“Zum Wegträumen schön ist diese Musik”

Märkische Allgemeine Zeitung – 05.08.2019

Choral trifft Jazz: Das Trio Bending Times mixt die beiden Genres mit Improvisierfreude und spannenden Arrangements. Am Sonntag gastierten die Musiker in Rheinsberg.

Die Basis ist der Choral. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Das Trio Bending Times hat es sich auf die Fahnen geschrieben, den Choral neu zu erfinden. Bending Times bedeutet übersetzt: gekrümmte Zeit.

Die Zielsetzung der drei Musiker: Die individuelle Zeitempfindung des Hörers zu verändern, zu biegen, zu dehnen – Musik als Zeitlupe oder als Zeitraffer zu erzeugen.

Christian Grosch aus Brandenburg am Piano und die beiden Dresdener Musiker Toralf Schrader am Kontrabass und Enno Lange am Schlagzeug nehmen sich die altehrwürdigen, getragenen Choräle vor und verwandeln sie in etwas völlig Neues – losgelöst von Ort und Zeit.

Verschmelzung von Choral und Jazz

Am Sonntag genossen rund 80 Zuhörer das Konzert der drei Musiker in der Rheinsberger St. Laurentius Kirche: Eine Verschmelzung von Choralund Jazz. Bending Times beherrschen diese Kunst bis ins i-Tüpfelchen.

Zuerst liest Christian Grosch den Choraltext vor. Dann wird zumeist das ursprüngliche Thema angedeutet. Und unmerklich schält sich aus der klaren strengen Melodie auf einmal flirrend-lässiger Jazz, in dem die ursprüngliche Vorlage dann und wann heiter aufblitzt. Nicht heilig-majestätisch klingt es, sondern ganz irdisch und verspielt, nicht zuletzt wegen der Improvisierfreude der Drei, die das Tonmaterial aus dem Himmel zurück auf die Erde holen.

In heiterem Dur und melancholischem Moll

Christian Grosch ist der Komponist des Trios. Er hat ein Händchen für die Orgel- oder Klaviertasten. Mit beseelter Inbrunst bringt er die Stücke zum Leuchten: ein perlender Notenteppich in heiterem Dur und melancholischem Moll. Swingender Rhythmus und frische Synkopen brechen die strengen Melodien auf – wie Schmetterlinge steigen die Noten in das Kirchenschiff.

„Wir holen Sie jetzt ins 14. Jahrhundert“, erklärt Grosch den Choral, den ein unbekannter Mönch aus Salzburg einst schrieb. Martin Lutherhat die Melodie dann mit einem Text versehen.

Auch Eigenkompositionen

Die Basedrum gibt einen zwingenden Rhythmus vor, der Spannung erzeugt. Das Piano wirft die Noten drumherum, der Choral „Vater unser im Himmel“ nimmt immer mehr Fahrt auf. Zum Wegträumen schön ist diese Musik – auch später, wenn das Trio das wesentlich bekanntere „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ spielt. „Sie dürfen in Gedanken gern mitsingen“, lädt Grosch ein.

Auch Eigenkompositionen sind am Sonntag zu hören, etwa ein Lied, das von den eigenwilligen Tanzkünsten der kleinen Tochter Groschs inspiriert wurde oder eines, das den Namen „Magdala“ trägt – nach einer kleinen Stadt in Thüringen. Auch wenn, so Grosch, die Musik kein bisschen thüringisch daherkomme.

Zwei Zugaben am Ende

„Man kommt an den Chorälen von Paul Gerhard nicht vorbei, wenn man sich mit Chorälen beschäftigt“, sagt Christian Grosch und lässt dessen „Befiehl du deine Wege“ folgen. Er singt das Thema, später löst sich das Lied auf und groovt in anderen Sphären.

Ein lyrisch-zartes „Abendgebet“, ein „Du meine Seele singe“ – das Publikum ist verzaubert. Und will mehr. Zwei Zugaben müssen die Musiker spielen: „Ein Lied des Dankes“ und „Der Herr ist mein getreuer Hirt“ – „ganz was Ruhiges zum Abschied“, erklärt Christian Grosch.

Von Regine Buddeke

 

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